Turbulenz
Im Vergleich zu Flüssigkeiten existieren in Plasmen durch die elektromagnetische Wechselwirkung eine weitaus größere Anzahl von Instabilitäten, die durch nichtlineare Wechselwirkung Turbulenz ausbilden können. Die Instabilitäten beziehen ihre Energie aus Gradienten der thermodynamischen Größen, wie beispielsweise Plasmadichte und Temperaturen der Elektronen und Ionen. Die damit verbundenen räumlichen und zeitlichen Skalen erstrecken sich über einen sehr breiten Bereich. Eines der faszinierendsten Eigenschaften der Turbulenz ist die Möglichkeit, dass die verschiedenen Skalen in einem Energieaustausch stehen und somit die kleinsten Skalen (im Bereich von Millimetern) das Verhalten der größten Skalen (im Bereich von mehreren Metern) bestimmen können. In Fusionsplasmen können dadurch beispielsweise globale Strömungen getrieben werden, die wiederum Rückwirkungen auf von der Turbulenz erzeugten Transport haben.
Die wesentlichen Ziele der Untersuchungen sind:
- Charakterisierung der Plasmaturbulenz in dreidimensionaler Magnetfeldgeometrie und Identifikation der dominanten Instabilitäten
- Untersuchungen des turbulenten Transports und deren Auswirkung auf das Einschlußverhalten
- Vergleich der experimentellen Untersuchungen mit nichtlinearen nummerischen Simulationen
Die experimentelle Charakterisierung der Turbulenz ist eine Herausforderung, da eine hohe räumliche und zeitliche Auflösung benötigt wird und damit ein breites Spektrum von Diagnostiken umfasst:
Vielzweckmanipulator:
Mit dem Vielzweckmanipulator können verschiedene Arten von Sonden in den Rand des Plasmas eingebracht werden. Elektrische (Langmuir-) Sonden messen die Profile der Elektronentemperatur und –dichte am Plasmarand und geben darüber hinaus bei geeigneter Anordnung mehrerer Sonden auch Aufschlüsse über Plasmaturbulenz und Plasmaströmungen. Mit weiteren Sondenarten können je nach Interesse der Nutzer verschiedenste Plasmaeigenschaften (z.B. Ionentemperatur, Magnetfeldfluktuationen) untersucht werden. Zuletzt bietet der Vielzweckmanipulator auch die Möglichkeit der gezielten Injektion von Gasen und Verunreinigungen in das Plasma sowie der Untersuchung von Plasma-Material-Wechselwirkung.
Der Einsatz des Vielzweckmanipulators zur Diagnostik des Plasmarands hat Vor- und Nachteile: So ist einerseits das Einbringen der Sonden in den Plasmarand invasiv und kann die Plasmaeigenschaften beeinflussen. Zudem ist aufgrund der hohen Wärmebelastung bei typische Temperaturen im Plasmarand von einigen 100.000°C (einige 10 eV) nur eine kurzzeitige Messung möglich, um die Sonden nicht zu beschädigen. Andererseits hat der Einsatz von Sonden im Plasmarand gegenüber vieler anderer (z.B. sichtlinienintegrierter) Messmethoden den Vorteil einer sehr lokalisierten Messung bei gleichzeitig hoher zeitlichen Auflösung.
Mikrowellendiagnostiken:
Wie bei einem Radarsystem wird bei der Reflektometrie ein schwaches Mikrowellensignal in das Plasma eingestrahlt. Der Frequenzbereich der eingestrahlten Mikrowellen beträgt typischerweise 50-100GHz. Die Ausbreitung der Mikrowelle im Plasma hängt sehr empfindlich von den Plasmaparametern ab, so dass bei einer ausreichend hohen Plasmadichte das Signal reflektiert wird und ein Echo erzeugt. Aus diesem Meßsignal kann die Plasmadichte und Dichtefluktuationen am lokalen Reflexionsort charakterisiert werden. Der Reflexionsort kann dabei durch die gewählte Mikrowellenfrequenz verändert. Wenn mehrere Antennen zur Detektion verwendet werden, kann durch Korrelationsmethoden die räumliche Struktur und die Propagation der Fluktuationen näher untersucht werden. Bei schrägem Einfallswinkel des Mikrowellenstrahls wird dieser von den Dichtefluktuationen gestreut wie bei einem Beugungsgitter. Hierdurch lässt sich die Wellenlänge der Fluktuationen und deren Phasengeschwindigkeit bestimmen.
Eine weitere Meßmethode basiert auf der Emission durch die Zyklotronbewegung der Elektronen (typischerweise bei 140 GHz) um das lokale Magnetfeld. In dieser Emission sind neben dem dominanten Anteil des thermischen Rauschens die Fluktuationen er Elektronentemperatur enthalten. Um diesen kleinen Anteil der Emission zu detektieren, werden mehrere Detektoren (Radiometer) eingesetzt, um den korrelierten Anteil der Emission zu extrahieren.
Phasenkontrastdiagnostik:
Die Diagnostik nutzt einen Infrarot-Laserstrahl, der durch das Plasma gestrahlt wird und dabei ein kleiner Teil der Intensität an Fluktuationen der Plasmadichte streut. Die Intensität des gestreuten Lichts hängt ab von der Amplitude der Fluktuation, und der Streuwinkel von der Wellenlänge der Fluktuation. Um das Streulicht diagnostizierbar zu machen, nutzt man das sog. Phasenkontrastverfahren aus der Mikroskopie. Hierbei wird über eine Phasenplatte eine zusätzliche Phasenverschiebung zwischen Laserstrahl und Streulicht erzeugt, um dann über Interferenz eine zur Plasmadichtefluktuation proportionale Intensität am Detektor zu erhalten. Diese nicht-invasive Messung erlaubt eine raumzeitliche Auflösung der turbulenten Dichtefluktuation insbesondere im sehr heißen Plasmazentrum.
Gas Puff Imaging:
Die Gas Puff Imaging Diagnostik misst Plasmaturbulenz in der Abschälschicht des Plasmas, die sich im Übergangsbereich zwischen dem magnetisch eingeschlossenen Volumen und den Wänden des Experiments befindet. Die Diagnostik besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Zum einen wird ein Gasinjektionssystem verwendet, das eine kontrollierte Menge Gas (Wasserstoff oder Helium) aus einer speziell geformten Düse einbläst. Die Neutralgasmoleküle der Gaswolke werden von den Plasmaelektronen angeregt und emittieren sichtbares Licht, dessen Intensitätsfluktuationen Rückschlüsse auf die Fluktuationen in der Plasmadichte zulassen. Die Messung der Emission erfolgt mit einem optischen System mit einer spezialisierten schnellen Kamera, die dieses Licht mit mehreren hunderttausend Bildern pro Sekunde aufnimmt, um die schnelle Dynamik der turbulenten Strukturen in der Abschälschicht zu erfassen
Vergleich mit numerischen Simulationen:
Zur Interpretation der experimentellen Ergebnisse verwenden wir vereinfachte Modelle in Fluidsimulationen oder gyro-kinetischen Simulationen mit experimentellen Werten, um die Trends zu vergleichen. Diese qualitative Analyse hilft uns, das turbulente Transportverhalten zu verstehen und die Schlüsselparameter der Dynamik zu identifizieren. Das Hauptziel dieser Simulationen ist die Charakterisierung der dominanten Mikroinstabilitäten, deren Gültigkeitsbereich und wie die Plasmaparameter sie beeinflussen.