Neues Stellarator-Design weist den Weg für künftige Fusionskraftwerke
Mit einem neuen Ansatz haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald ein Stellarator-Design entwickelt, das alle physikalischen Grundvoraussetzungen für ein tragfähiges Fusionskraftwerk erfüllt. Was steckt hinter dem Konzept?
Kernfusion gilt als vielversprechende Option für eine saubere und sichere Energiequelle der Zukunft. Am weitesten fortgeschritten ist dabei die Fusionsforschung mit magnetischem Einschluss eines mehrere Millionen Grad Celsius heißen Plasmas – kurz: Magnetfusion. Dabei konzentrieren sich die Forschenden weltweit auf zwei Konzepte: den Tokamak und den Stellarator. Tokamaks erzeugen ein donutförmiges Plasma und haben bereits viele wichtige Meilensteine in Experimenten auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk erreicht. Auch der internationale Versuchsreaktor ITER in Südfrankreich wird derzeit nach diesem Konzept gebaut.
Trotz aller Fortschritte haben Tokamaks im Vergleich zu Stellaratoren einen entscheidenden Nachteil: Für ihren Betrieb muss ein starker elektrischer Strom durch das Plasma fließen. Dieser Strom kann jedoch das Plasma destabilisieren, was zu Schäden am Reaktor führen kann. Da dieser Strom außerdem in regelmäßigen Abständen abgeschaltet werden muss, würde die Fusionsleistung für kurze Zeit pausieren. Dies wird als gepulster Betrieb bezeichnet (jeder Puls kann mehrere Stunden dauern).
Stellaratoren hingegen können völlig ohne Stromtrieb und damit kontinuierlich betrieben werden, weil das Plasma durch eine komplexe Verformung seiner Donut-Struktur in einem inhärent stationären Gleichgewicht gehalten wird. Allerdings müssen Stellaratoren noch in Experimenten beweisen, dass der Plasmaeinschluss genauso gut gelingt wie in Tokamaks.
Wendelstein 7-X: Der Schlüssel zur Optimierung
Der weltweit größte und leistungsstärkste Stellarator Wendelstein 7-X (W7-X), der vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald betrieben wird, soll diesen Nachweis erbringen. Die Anlage hat ebenfalls bereits einige wichtige Meilensteine erreicht, weitere sind für die kommenden Jahre geplant. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass das bereits Ende der 1980er Jahre begonnene Design von W7-X weiter verbessert werden muss, um kraftwerkstauglich zu werden.
Genau dies ist den Forschenden nun gelungen. Das Team der IPP-Abteilung Stellarator-Theorie hat kürzlich einen Entwurf für neue Stellaratoren mit wichtigen Eigenschaften für den Kraftwerkseinsatz veröffentlicht. Das neue Konzept ist so vielversprechend, dass bereits mehrere private Fusionsunternehmen aus dem In- und Ausland Interesse bekundet haben, auf dieser Basis weiterzuarbeiten.
„W7-X ist ein so genannter quasi-isodynamischer (QI) Stellarator. Dieses Design bietet mehrere interessante Vorteile gegenüber anderen Stellarator-Typen. Da W7-X im Experiment gezeigt hat, dass diese Vorteile real sind, haben wir beschlossen, unsere Bemühungen speziell auf QI-Stellaratoren zu konzentrieren", erklärt IPP-Wissenschaftler Alan Goodman, der das Projekt im Rahmen seiner Doktorarbeit leitete.
Das neue SQuID-Design: ein Durchbruch für künftige Fusionskraftwerke
Die Forschenden nennen ihre neu entwickelten Stellarator-Typen „SQuIDs“, was für Stable Quasi-Isodynamic Designs steht. In Computersimulationen zeigen sie sehr vorteilhafte Eigenschaften:
- Sie begrenzen den toroidalen Nettostrom im Plasma auf sehr niedrige Werte, was für die Übertragung des Plasmaabfuhrkonzepts von W7-X auf einen Reaktor erforderlich ist.
- In den Simulationen dämmen SQuiDs die Plasmaturbulenz ein, was zu einem recht guten Energieeinschluss führen sollte – eines der Hauptziele bei der Entwicklung eines Fusionsreaktors.
- Hochenergetische Teilchen, die durch Fusionsreaktionen im Plasma erzeugt werden, driften nicht nach außen, wo sie andernfalls die Reaktorwand treffen und beschädigen würden.
SQuIDs repräsentieren den neuesten Stand des Stellarator-Designs, was zum Teil durch neue computergestützte Werkzeuge ermöglicht wurde, die von den Forschenden speziell für diesen Zweck entwickelt wurden. Der Erfolg beruht auch auf dem Wissen und der Erfahrung, die die Forschenden am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik bei den Experimenten an W7-X gesammelt haben. Kombiniert mit den Möglichkeiten heutiger Supercomputer wurden so Stellarator-Designs möglich, die vor fünf Jahren noch undenkbar gewesen wären.
„Die Philosophie unseres Designansatzes bestand darin, systematisch Designoptionen auszuschließen, von denen wir wussten, dass sie in der Praxis nicht realisierbar waren. Dann konnten wir uns ganz darauf konzentrieren, die Physik richtig hinzubekommen“, sagt der Physiker Alan Goodman. Denn das ist eine der Herausforderungen bei Stellaratoren: Aufgrund ihres sehr komplexen Magnetfelds müssen Stellaratoren sorgfältig auf die praktischen Bedürfnisse zugeschnitten werden, und der Unterschied zwischen einem sehr guten und einem sehr schlechten Entwurf kann sehr gering sein. Außerdem können diese Magnetfelder nur durch die Verwendung komplex geformter Magnetspulen erzeugt werden, die speziell für diesen Zweck entwickelt werden müssen.
„Diese Entwürfe sind theoretisch solide, wie durch umfangreiche Simulationen rechnerisch verifiziert wurde. Aber solange sie nicht gebaut, betrieben und im Labor untersucht worden sind, kennen wir ihr wahres Potenzial nicht“, erklärt Prof. Per Helander, Leiter der Abteilung Stellarator-Theorie am IPP. „Für Ingenieure, sowohl am IPP als auch in Fusions-Startups, können diese neuen SQuIDs die Grundlage für die Entwicklung neuer Magnetkonzepte und anderer Technologien sein, die für die Realisierung eines SQuID als Experiment oder Kraftwerk benötigt werden.“
Originalveröffentlichung: DOI: 10.1103/PRXEnergy.3.023010