Warum sich unerwünschte Plasma-Eruptionen mit Magneten unterdrücken lassen
Forschende des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) entdecken ein physikalisches Phänomen, das diese Energieausbrüche in Tokamaks dämpft. Ihre Ergebnisse veröffentlicht jetzt das Journal „Nature Physics“.
Die ELMs genannten Eruptionen zählen zu den großen Herausforderungen bei der Entwicklung von Fusionskraftwerken. Sie können Gefäßwände zerstören und führen zu Energieverlusten. Mit ihrer Arbeit beweist das IPP-Team eine alte Hypothese.
Auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk gilt es, zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Neben Materialfragen zählen unter anderem ELMs („Edge localized modes“), die periodisch auftretenden, heftigen Eruptionen von Teilchen und Energie am Rand eines Tokamak-Plasmas, zu den hartnäckigsten. Die Ausbrüche treten vor allem in der sogenannten H-Mode auf, dem aufgrund der hohen Energieeinschlusszeit für die meisten Reaktorkonstruktionen gewünschten Betriebsmodus.
Ein einzelner ELM ist in der Lage, bis zu 20% der Energie aus dem Plasmainneren an die Wand des Vakuum-Gefäßes zu schleudern – ein herber Energieverlust mit potenziell schwerwiegenden Folgen für die Gefäßwand. Die Unterdrückung oder gar das vollständige Verhindern der Ausbrüche ist daher eine wichtige Forschungsfrage in der Tokamak-Physik.
„Für den IPP-Tokamak ASDEX Upgrade sind ELMs harmlos, dafür ist die Anlage zu klein. Bei zukünftigen Großexperimenten wie ITER können sie aber zu Problemen führen – in einem potenziellen Demonstrationskraftwerk umso mehr“, sagt Dr. Matthias Willensdorfer. Der Physiker ist seit 2013 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik tätig. Er ergänzt: „Im schlimmsten Fall kann der Schaden so groß sein, dass man Teile der Gefäßwand austauschen muss.“
Seit ihrer Entdeckung 1982 arbeiten Forschende daran, die Eruptionen zu verhindern. Mittlerweile mit Erfolg: Spezielle Stör-Magnetspulen, sogenannte RMPs („Resonant Magnetic Perturbations“) sind in der Lage, ELMs einzuschränken – und sie im besten Fall sogar komplett zu unterdrücken. Die Spulen werden weltweit in Tokamaks verwendet und sind auch für die nächste Generation von Tokamaks geplant. „Mit RMPs stören wir die Symmetrie des eingeschlossenen Plasmas nur im Promille-Bereich. Aber diese Störungen sind stark genug, um ELMs zu verhindern“.
Warum RMPs die Plasmaausbrüche verhindern, wurde kontrovers diskutiert. „Da gab es verschiedene Theorien“, sagt Willensdorfer, „die gängigste ist aber mit Sicherheit die, dass magnetische Inseln die Entstehung von ELMs verhindern – diese Hypothese konnten wir nun erstmals experimentell bestätigen.“
Bei den von Willensdorfer untersuchten magnetischen Inseln handelt es sich um ovale Strukturen, die in den durch RMP-Magnetspulen gestörten Feldlinien entstehen können. Normalerweise sind magnetische Inseln unerwünschte Nebeneffekte, da sie in der Lage sind, den Einschluss des Plasmas lokal zu verschlechtern. Richtig eingesetzt können die Inseln aber dafür sorgen, dass keine ELMs zustande kommen. „Innerhalb des Plasmas finden sozusagen kleine Kurzschlüsse statt – das führt lokal zu einem geringeren Druckgradienten“, erklärt Willensdorfer, „was wiederum den Antrieb der ELM-Instabilität reduziert und somit schließlich den ELM verhindert“.
Die Nutzung von RMPs zur Unterdrückung der unerwünschten Plasmaausbrüche gleicht dabei einem Drahtseilakt: Stört man die Feldlinien zu wenig, fehlen magnetische Inseln und es kommt zu kleinen ELMs. Stört man sie hingegen zu stark, ist der für die H-Mode nötige Druckgradient zu niedrig. „Und dann findet weniger Fusion statt“, sagt Matthias Willensdorfer.
Mit Hilfe seiner Kollegen konnte Willensdorfer die Existenz magnetischer Inseln während der Anwendung von RMPs nachweisen. Das Besondere: Durch ein geschicktes Verschalten der Spulen war Willensdorfer in der Lage, das Störfeld zu drehen – ohne, dass dabei die ELM-unterdrückende Wirkung der RMP-Magnete beeinträchtigt wurde. „Zusammen mit den hochauflösenden Messgeräten, die uns am IPP zur Verfügung stehen, konnte so der Nachweis der magnetischen Inseln erbracht werden“, resümiert Willensdorfer. „Die Kombination aus genauen Messungen der Elektronen-Temperatur und der Möglichkeit, das Störfeld im laufenden Betrieb zu drehen, ist weltweit einzigartig.“
Unterstützt wurden experimentellen Forschungsergebnisse durch Computersimulationen der IPP-Doktorandin Verena Mitterauer. Mit Hilfe des Simulations-Codes JOREK, der insbesondere für nichtlineare Plasma-Simulationen ausgelegt ist, konnte Mitterauer die Beobachtungen Willensdorfers bestätigen. Die Theorie der magnetischen Inseln ist somit auch durch Computersimulationen belegt.
In welchem Umfang die Forschungsergebnisse auch für das im französischen Cadarache gebauten Großexperiment ITER zum Tragen kommen, bleibt abzuwarten. RMP-Spulen werden dort jedoch in jedem Fall eingesetzt. „Wir können natürlich nicht zu 100 Prozent wissen, ob das, was wir planen, in ITER auch genau so funktionieren wird“, sagt Willensdorfer und lacht. „Wenn wir alles schon vorher wüssten, müssten wir ITER schließlich nicht bauen.“