Rekord bei ASDEX Upgrade – glänzende Aussichten für ITER
Neuer Plasmazustand könnte dramatische Verbesserungen für den ITER-Betrieb bringen
Ziel der Fusionsforschung ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das – ähnlich wie die Sonne – aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt. Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss der Brennstoff, ein Wasserstoffplasma, in Magnetfeldern wärmeisolierend eingeschlossen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Auf diese Weise konnte 1997 die europäische Gemeinschaftsanlage JET (Joint European Torus) in Culham/Großbritannien kurzzeitig eine Fusionsleistung von 16 Megawatt erzeugen. Mehr als die Hälfte der zur Plasmaheizung verbrauchten Leistung wurde dabei per Fusion zurückgewonnen. Den nächsten Schritt soll die internationale Testanlage ITER (lat.: „der Weg“) gehen: Sie soll über längere Zeit eine Fusionsleistung von 500 Megawatt liefern – zehnmal mehr, als zur Aufheizung des Plasmas verbraucht wird. ITER wurde von Forschern aus Europa, Japan, Russland und den USA vorbereitet, China und Südkorea haben sich dem Projekt angeschlossen. Über Standort und Baubeginn soll in diesem Jahr entschieden werden.
Dass sich die guten Ergebnisse von ASDEX Upgrade auf den viel größeren ITER übertragen lassen, dafür stehen die Chancen inzwischen nicht schlecht: Denn als vor sechs Jahren das „Verbesserte H-Regime“ (Verbessertes High Confinement Regime) an ASDEX Upgrade entdeckt wurde, war noch offen, ob der Plasmazustand nicht nur als Besonderheit der speziellen Anlage anzusehen sei – mit allerdings beachtlichen Vorzügen: Das Plasma wies sehr gute Wärmeisolation auf bei hohem Energieinhalt. Zusätzlich sorgten kleine Instabilitäten am Plasmarand dafür, dass die Wärmeenergie aus dem Plasma in kleinen Portionen gleichmäßig auf den Wänden abgeladen wird. So kam es zu der erwünscht sanften, die Gefäßwände schonenden Leistungsauskopplung. Mit diesen guten Eigenschaften war das „Verbesserte H-Regime“ dem normalen H-Regime deutlich überlegen, das – ebenfalls im IPP entdeckt – als Grundbetriebsweise für ITER vorgesehen ist. Entsprechend fand der neue Plasmazustand großes Interesse: Je höher man – bei gleicher Heizleistung – den Energieinhalt des Plasmas und damit die Fusionsausbeute treiben kann, desto kleiner und damit kostengünstiger wird ein späteres Kraftwerk.
In den letzten Jahren gelang es an ASDEX Upgrade, das „Verbesserte H-Regime“ über einen immer breiteren Arbeitsbereich einzustellen. Dazu muss es jeweils gelingen, dem Plasmastrom, der in Anlagen vom Typ Tokamak einen Teil des magnetischen Käfigs erzeugt, von Anfang an den richtigen Weg im Plasma zu bahnen. Für diesen „Stromtrieb“ kann man an ASDEX Upgrade seit einiger Zeit die Neutralteilchen-Heizung nutzen: Durch Einschießen schneller Wasserstoffatome – eigentlich eine Heizmethode – lässt sich ebenso ein elektrischer Strom im Plasma erzeugen und von außen steuern. Richtig begonnen, bleibt das beim Starten der Entladung geformte Stromprofil durch komplexe Rückkopplungen zwischen Plasma und Magnetfeld über die ganze Entladung stabil. Bis zu 50 Prozent des Plasmastroms werden dann von der Heizung (und einem druckgetriebenen internen Strom) getragen, der Rest wird auf konventionelle Weise per Transformator im Plasma erzeugt.
Nach den Erfolgen an ASDEX Upgrade konnte auch das ähnlich aufgebaute Fusionsexperiment DIII-D in San Diego/USA den günstigen Plasmazustand erreichen. Im Sommer letzten Jahres gelang es IPP-Wissenschaftlern schließlich, das „Verbesserte H-Regime“ an der Großanlage JET in Culham zu realisieren. Ende April 2004 stand es dann erneut auf dem Garchinger Experimentierplan, wozu eigens ein amerikanischer Gastforscher angereist war. Selbst nach seinem an DIII-D entwickelten Verfahren stellte sich der gewünschte Plasmazustand auf Anhieb ein. Resultat war der bisherige Anlagenrekord von ASDEX Upgrade für den per externer Heizung im Plasma deponierten Energieinhalt: 1,5 Megajoule*. „Nachdem sich das Verbesserte H-Regime auf verschiedenen Wegen in drei unterschiedlich großen Anlagen erreichen ließ, sind wir zuversichtlich, dass dies auch in dem nochmals größeren ITER gelingen wird“, meint Professor Dr. Hartmut Zohm, der Leiter des IPP-Bereichs ‚Experimentelle Plasmaphysik 2’. „Die zu erwartende Fusionsausbeute in ITER würde sich damit mindestens verdoppeln“. Vergleichsexperimente sind inzwischen weltweit – an ASDEX Upgrade, DIII-D, JET und dem japanischen JT-60U – im Gange.
Isabella Milch
* Erläuterung:
Absolut gesehen ist dies nicht viel – genug um 3,5 Liter eiskaltes Wasser zum Kochen zu bringen – was bei einer Plasmatemperatur von 100 Millionen Grad zunächst überraschen mag. Jedoch verteilt sich die Energie auf eine nur kleine Zahl von Plasmateilchen: Mit etwa 7 x 1019 Teilchen pro Kubikmeter herrscht Vakuum in dem ultradünnen Plasma. Um so heftiger prallen die wenigen Partikel bei Fusionsstößen aufeinander.