VINETA – Grundlagenforschung zur Dynamik magnetisierter Plasmen
Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Ein Plasma ist definiert als ein ionisiertes Gas mit ausgeprägt kollektivem Verhalten. Ein von außen angelegtes magnetisches Feld B „formt“ das Plasma in dem Sinne, dass die Bewegung der geladenen Teilchen aufgrund der Lorenzkraft F = q v x B stark eingeschränkt wird. Die Teilchen folgen nämlich senkrecht zu B Gyrationsbahnen, d.h. sie laufen spiralförmig um die Magnetfeldlinien. Die Dynamik eines magnetisierten Plasmas kann sehr kompliziert werden, da neben der starken Anisotropie auch noch Inhomogenitäten in Plasmadichten und Plasmatemperaturen auftreten können und sehr oft die Ionen und Elektronen jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Die Dynamik magnetisierter Plasmen ist von zentraler Bedeutung für astrophysikalische Phänomene, für die Wechselwirkung mit der Magnetosphäre und insbesondere für das magnetisch eingeschlossene Plasma in Fusionsexperimenten, zum Beispiel: Stellarator und Tokamak. Im Teilinstitut Greifswald des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik wurde dazu eine flexible Plasmaanlage für Grundlagenexperimente zur Plasmadynamik entworfen; sie wurde auf den Namen VINETA getauft: VINETA steht für „Versatile instrument for studies on non-linearity, electromagnetism, turbulence, and applications“. Abbildung 1 zeigt ein Schema der Anlage.
Man erkennt die 36 wassergekühlten Kupferspulen (rot), die ein magnetisches Feld in Zylindergeometrie mit bis zu 100 Milli -Tesla aufbauen können. VINETA ist modular aufgebaut, wobei die magnetische Feldstärke in jedem Modul separat gewählt werden kann. Einige der Plasmadiagnostiken, zum Beispiel Sonden und Interferometer, sind angedeutet, wobei besonderer Wert auf präzise Feinpositionierung im Raum gelegt wird. Ein Gesamtansicht der Anlage ist in Abbildung 2 dargestellt.
Als Plasmaquelle kommt eine so genannte Helikonentladung zum Einsatz [1]. Diese Methode, ein relativ dichtes Plasma zu erzeugen (~1019 Teilchen pro Kubikmeter bei einer Elektronentemperatur von 2 bis 4 Elektronenvolt), ist Mitte der 80er-Jahre von R. Boswell entdeckt worden [2]: Elektromagnetische Radiowellen im Frequenzbereich von ungefähr 10 Megahertz heizen das Plasma und führen mit einer erstaunlichen Effizienz zu Ionisation. Die Helikonentladung wird über eine Reihe vorgelagerter Entladungsmodi erreicht, die nach ihren Funktionsmechanismen als „kapazitiv“ bzw. „induktiv“ bezeichnet werden.
Abbildung3 zeigt die Plasmadichte gemessen in der Ebene senkrecht zum magnetischen Feld, die in Zylinderkoordinaten als „azimutale“ Ebene bezeichnet wird. Man erkennt, dass im kapazitiven Entladungsmodus ein Hohlprofil vorliegt, im induktiven Modus das Profil im Zentrum flach wird und sich im Helikon-Modus ein spitzes Profil ausbildet. Viel wichtiger aber ist, dass mit jedem Übergang von einem Modus in den anderen die Dichte jeweils um einen Faktor 10 ansteigt. Damit können Plasmabedingungen geschaffen werden, die in mancherlei Hinsicht dem Randplasma einer Fusionsmaschine ähneln.
Die radialen Dichtegradienten, die in Abbilung 3 unmittelbar erkenntlich sind, bilden eine Quelle freier Energie, die wiederum niederfrequente Plasmainstabilitäten antreibt. Eine wichtige dieser Instabilitäten wird als „Driftwelle“ bezeichnet, da in ihrem physikalischen Mechanismus Plasmadriften eine zentrale Rolle spielen [3]. Diese universelle Plasmainstabiliät ist in der Regel mit radialem Transport von Plasmateilchen verbunden, was für den magnetischen Einschluss von Plasmen nach wie vor ein ungelöstes Problem darstellt [4]. Driftwellen breiten sich senkrecht zum Magnetfeld in der Region des stärksten Dichtegradienten aus, hier also in azimutaler Richtung. Sie können in ihrer Raum-Zeit-Dynamik mithilfe von Sonden-„Arrays“ beobachtet werden, wie in Abbildung 4 dargestellt.
Plasmasonden sind miniaturisierte metallische Leiter, aus deren Stromcharakteristik man auf die Plasmadichte und ihre Schwankungen zurückschließen kann. Solche Sondenanordnungen liefern simultane Information über die räumliche Strukturierung der Driftwellen und über ihre zeitliche Entwicklung, was in Abbildung 5 exemplarisch dargestellt ist.
Es sind drei verschiedene Driftwellendynamiken gezeigt: Im ersten Fall (a,d) propagiert eine einzelne Driftwelle, die aufgrund der Periodizität in azimutaler Richtung eine Mode ausbildet mit der Modenzahl m = 2π r0/l = 6 (hier sind r0 die radiale Lokalisierung der Welle und l die Wellenlänge). Im zweiten Fall (b,e) wird die nichtlineare Wechselwirkung zwischen mehreren Driftwellen beobachtet, was sich im Raum-Zeit-Diagramm in räumlicher Modulation äußert [7]. Der dritte Fall (c,f) schließlich zeigt ein Beispiel schwach entwickelter Driftwellenturbulenz, die entscheidend für den bereits erwähnten erhöhten Transport in Fusionsplasmen verantwortlich zu sein scheint. Alle drei Fälle lassen sich in VINETA präzise ansteuern und detailliert studieren.
Bei den Driftwellen handelt es sich um eine Plasmainstabilität, d.h. sie treten spontan und selbstverstärkend in bestimmten Parameterbereichen auf. Plasmawellen treten jedoch auch als „Antwort“ des Plasmas auf eine gezielt eingebrachte Störung auf. Ein Beispiel sind Ionenschallwellen, die – anders als die Schallwellen etwa in Luft – nicht durch Stöße zwischen den Teilchen sondern alleine durch die elektrostatische Wechselwirkung vermittelt werden. Komplizierter sind Alfvénwellen, die nach ihrem Entdecker Hannes Alfvén benannt sind (Nobelpreis 1970). Sie breiten sich als Transversalwellen des magnetischen Feldes aus und werden in VINETA mithilfe optimierter Induktionssonden beobachtet. Alfvénwellen treten häufig in extraterrestrischen Plasmen auf und geben Anlass zu einer Vielzahl von Detailuntersuchungen. Während sich hier die Frequenz auf den Bereich unterhalb der Ionenzyklotronfrequenz fci = e B/mi – im vorliegenden Falle einige 10 Kilohertz – beschränkt, weisen die „Whistler“-Wellen als von den Elektronen getragene Wellen wesentlich höhere Frequenzen auf, typisch einige 100 Megahertz. Auch diese werden von magnetischen Störungen angeregt und mittels Induktionssonden beobachtet. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Dispersionseigenschaften der Wellen erheblich ändern, wenn zu niedrigen Frequenzen und damit zu großen Wellenlängen übergegangen wird [8]. Das Plasma kann dann nicht mehr als unendlich ausgedehnt angesehen werden und Geometrieaspekte beginnen eine wichtige Rolle zu spielen. Tatsächlich müssen nicht nur die Zylindergeometrie des Plasmas sondern auch die metallische Wand und der Übergangsbereich korrekt beschrieben werden, nämlich als mit Plasma gefüllter Hohlleiter. In der Konsequenz bilden sich bei Radiofrequenzen von einigen Megahertz radiale Eigenmoden aus. Abbildung 6 zeigt simultane Messungen der Fluktuationen der Magnetfeldkomponente parallel (Bz) und senkrecht (By) zum Hintergrundfeld B.
Man erkennt deutlich die Signaturen einer m=1-Eigenmodenstruktur, wie von der Theorie vorhergesagt [9]. Diese Eigenmoden werden auch als „Helikonmoden“ bezeichnet. Sie sind für die Heizung und Erzeugung des Plasmas im Helikon-Entladungsmechanismus (s.o.) verantwortlich. Der genaue Mechanismus für die Übertragung von Wellen- auf Teilchenenergie ist noch immer Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.
Insgesamt zeigt sich, dass sich die moderne Forschung auf dem Gebiet der Plasmadynamik den Herausforderungen stellen muss, die sich aus der Plasmageometrie, der Plasmakinetik und vor allem den Nichtlinearitäten des Plasmas ergeben. Dieser Artikel soll einen ersten Eindruck von diesem spannenden Forschungsfeld geben.