Kugelblitze – im Labor zu erzeugen?
Im IPP werden mittels einer Hochspannungsentladung über einer Wasseroberfläche große leuchtende Plasmakugeln erzeugt, deren visuelle Eigenschaften den typischen Beschreibungen von Kugelblitzen sehr nahe kommen.
Die zahlreichen Aussagen über Kugelblitze – in den letzten drei Jahrhunderten wurden über 2000 Sichtungen gemeldet – sind widersprüchlich: Berichtet wird von gelben bis rötlichen Kugeln mit bis zu 20 Zentimetern Durchmesser, die stillstehen oder sich langsam bewegen, manchmal lautlos, manchmal zischend. Auch das Durchdringen von Wänden oder ein Rollen über den Fußboden wird als Merkmal genannt. Nach einigen Sekunden oder gar Minuten sollen diese Phänomene wieder verschwinden – entweder geräuschlos oder mit einem lauten Knall. Das Erscheinen der Kugel wird dabei oft mit einem Blitzeinschlag in Zusammenhang gebracht.
Allerdings beruhen diese Aussagen nur auf Augenzeugenberichten und sind somit nicht endgültig bewiesen. Vorhandene Fotos sind sehr unscharf und könnten auch Kometen, Meteore oder Feuerwerkskörper zeigen. Im Jahr 2014 beobachtete eine chinesische Forschergruppe, die eigentlich Gewitterblitze wissenschaftlich untersucht, zufällig auch eine kugelblitzartige Erscheinung.
In wissenschaftlichen Erklärungsansätzen spielen entweder elektrische und magnetische Felder oder chemische Energie eine Schlüsselrolle. Auch die magnetische Stimulation des Gehirns oder der Augennetzhaut wurde ins Gespräch gebracht. Deshalb versuchen Forscher weltweit Kugelblitze im Labor zu erzeugen und wissenschaftlich zu vermessen. Experimentelle Ansätze sind Mikrowellen-Entladungen, elektrische Bögen oder elektrische Entladungen in Wasser.
Das Kugelblitz-Experiment im IPP
Im IPP in Garching werden kugelähnliche Gebilde – sogenannte Plasmoide – mit Hilfe einer elektrischen Entladung über einer Wasseroberfläche erzeugt. Das Experiment beruht auf einem russischen Konzept und wurde am IPP-Labor in Berlin mit plasmadiagnostischen Methoden wissenschaftlich untersucht. Ende 2009 wurde dieses Experiment in das IPP nach Garching transferiert und neu konzipiert. Der Fokus der gegenwärtigen Untersuchungen liegt auf den plasma-chemischen Prozessen, aus denen das Plasmoid vermutlich seine Energie bezieht und die somit seine Lebensdauer bestimmen.
Der Experimentaufbau: In einem wassergefüllten Behälter aus Plexiglas befinden sich zwei Elektroden, eine Kupferplatte am Boden und ein dicker Draht – die Zentralelektrode – in Höhe der Wasseroberfläche, wo ein Keramik-Rohr ein kleines Wasserreservoir vom restlichen Wasser abtrennt. Zwischen beiden Elektroden kann über einen Schalter eine hohe Spannung von maximal 4,8 Kilovolt angelegt werden, die von einem Hochspannungsnetzteil und einer Kondensatorbank geliefert wird.
Nach Schließen des Schalters fließt für rund 150 Millisekunden ein starker elektrischer Strom von 50 bis 130 Ampere durch das Wasser. Dies führt dazu, dass über der Zentralelektrode ein leuchtender Plasmaball aufsteigt, der nach einiger Zeit einen Durchmesser von etwa 20 cm Durchmesser erreicht. Er löst sich erst nach 0,5 Sekunden wieder auf. Die genauere Analyse ergibt: Bei der Entstehung des Plasmoids werden aus dem 10 Liter fassenden Gefäß etwa 10 Milligramm Wasser verdampft und ionisiert; das Plasmoid transportiert dabei eine Energie von 4 Kilojoule. Die Menge der eingespeisten Energie beeinflusst dabei maßgeblich die Lebensdauer des Plasmoids.
Mittels einer Hochgeschwindigkeitskamera kann man beobachten, dass sich anfänglich eine Oberflächenentladung mit fadenähnlichen Plasmastrukturen bildet, bevor sich die Kugelform des Plasmoids ausbildet. Da das Plasma Temperaturen von etwa 4000 Kelvin erreicht, sieht man anschließend eine pilzartige Struktur, wie sie für aufsteigende heiße Gase typisch ist. Die Temperatur reicht zudem aus, um – durch die Anregung der Atome und Moleküle des Wassers und der darin enthaltenen Mineralien – hell leuchtende Plasmabälle zu erzeugen. Daher kann man die Farbe und die Intensität der Emission des Plasmoids durch die Zugabe von Salzen in das Wasser verändern.
Kugelblitz: Von der Entstehung bis zum Verlöschen
Ein Plasmoid, aufgenommen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera (600 Bilder pro Sekunde).
Um den heißen Plasmaball bildet sich wie eine Haut eine kältere Randschicht aus. Ein Blatt Papier, das in die Bahn des Plasmoid gehalten wird, bleibt daher weitgehend unbeeinflusst. Das Plasmoid verformt sich und erlischt, durchdringt aber weder das Papier noch andere Materialien – anders als oft von Kugelblitzen berichtet.